
Wer heute Werbung im Radio macht, scheint sich folgendem Prinzip nicht entziehen zu können: „Man muss den Spot nur lauter, schneller und penetranter als die Mitbewerber produzieren, dann kommt der Kunde zu uns gerannt und kauft unsere Produkte.“ Anders kann ich mir die zahlreichen nervenden Radiowerbungen kaum erklären. Aber vielleicht ist es ja auch die eingeschliffene Normalität in dieser Branche: „Das macht doch jeder so, dann muss es auch gut sein. Die werden schon wissen, warum, und wir machen keine Experimente.“ Egal welche Rechtfertigung die Macher für sich annehmen, die Erfahrung erfolgreicher Werbung lautet aber, dass diese weder laut und schnell noch penetrant oder reißerisch sein darf, um das Gehör des Kunden zu gewinnen. Dazu schlüpfen wir kurz in den Kopf des Zuhörers.
Warum hören wir Radio? Richtig – wegen der Musik, der Moderatoren, der Beiträge und der Nachrichten. Werbung wird also höchstens als notwendiges Übel wahrgenommen, das der Hörer mitnehmen muss, um den Sender kostenfrei zu empfangen. Damit entsteht eine innere Ablehnung oder zumindest eine gewisse Gleichgültigkeit der Werbung gegenüber. Und da unser Gehirn ständig bestrebt ist, unwichtige Informationen weitestgehend zu ignorieren, sucht es nach Mustern, um diese dann auszufiltern. Ein solches Muster bietet der Radio-Werbeblock. Er ist klar vom Rest der Sendung unterscheidbar, sowohl von der akustischen Prägung als auch vom zeitlichen Format. Hier also muss die Konzeption guter Werbung ansetzen.
1. Muster erkennen und brechen
Es fällt uns nicht schwer, auch im Ausland einen Werbeblock sofort zu erkennen. Aber warum? Erstens wechseln alle 20 bis 40 Sekunden die Stimmung, die Musik und die Sprecher. Zweitens unterscheidet sich die Art und Weise der Sprecher deutlich von den Moderatoren. Sie ist meistens schneller, dramaturgisch erhöhter und aggressiver. Also stehen auf der einen Seite die Unternehmen, die um Aufmerksamkeit ringen, und auf der anderen Seite der Hörer, dessen Gehirn versucht, irrelevante Informationen möglichst effektiv zu filtern. Und das gelingt umso besser, je deutlicher das akustische Profil der Werbung in das klassische Muster passt. – Brechen Sie aus diesem akustischen Muster aus. Arbeiten Sie mit Pausen, mit unterschiedlichen Sprechgeschwindigkeiten und Erwartungshaltungen. Wenn das Gehirn einen Werbespot erwartet und das akustische Muster gebrochen wird, beginnt man wieder hinzuhören, wie im unten stehenden Beispiel. Außerdem gewinnen Sie so viel schneller die Sympathie der Zuhörer.
Beispiel: [10 Sekunden Pause], dann Sprecher: „Diese Auszeit wurde Ihnen präsentiert von der Yogaschule Mandala – mehr davon unter: www.name-der-yogaschule.de“
2. Nutzen aufzeigen – Und was habe ich davon?
Sie haben verdammt wenig Zeit in einem klassischen Werbespot. Deshalb sollten Sie so wenig wie möglich und so viel wie nötig an Informationen vermitteln. Als mittelständisches Unternehmen sollten Sie auch Abstand von sogenannter Imagewerbung nehmen, also Werbung, die darauf abzielt, nur den Namen des Produktes oder des Unternehmens bekannter zu machen. Nutzen Sie Werbung, um konkrete Kundennutzen und Ihr Alleinstellungsmerkmal klar zu kommunizieren. Priorisieren Sie dabei die Informationen nach Kundenrelevanz. Dass Ihre Autovermietung die einzige ist, die alle Autobezüge jede Woche reinigt, ist vielleicht für den Marketingmitarbeiter spannend – aber ist das ein kaufentscheidendes Kriterium für Kunden? Werben Sie mit „harten“, also nachvollziehbaren Fakten Ihres Angebotes.
Beispiel: „Autovermietung CarNow – Wir bringen Ihnen den Mietwagen direkt vor die Tür – auch sonntags.“
3. Call-to-Action – Wie gehts jetzt weiter?
Haben Sie sich auch überlegt, was der Hörer genau unternehmen soll, nachdem die Werbung vorüber ist? Wozu wird der Hörer aufgefordert und welche Motivation wird aufgezeigt, dies zu tun? Viele Spots versanden ohne sogenannten CTA (Call-to-Action; eine klare Handlungsanweisung).Sätze wie „Ihr freundlicher Bäcker aus der Region“ stammen höchstens aus der Feder von einfallslosen Marketingleitern und Werbetextern. Sie denken aber nicht aus Sicht des Kunden. Nutzen Sie Radio als Direktmarketing-Instrument. Lassen Sie z. B. den Hörer auf eine bestimmte Website gehen, um das Angebot wahrnehmen zu können, oder einen Anruf tätigen, um sich einen bestimmten Vorteil zu sichern.
Beispiel: „Gehen Sie jetzt auf: sonntagsbrötchen.de und holen Sie sich den Gutschein für vier Gratisbrötchen.“
4. Storytelling – Das muss ich euch erzählen
Sie werden von Kindern unter der Bettdecke, von Jugendlichen am Lagerfeuer, von Erwachsenen beim Weinabend und von Senioren beim Familientreffen erzählt: Geschichten. Die Menschheit ist mit ihnen groß geworden. Mit Märchen, Mythen, Sagen, Fabeln, Anekdoten, Sprichwörtern, Filmen, Büchern, Soaps und Sketchen. Durch Geschichten lassen sich schnell und einfach Emotionen, Haltungen, Wissen und Erkenntnisse vermitteln. Sie können Spannung erzeugen, zum Lachen bewegen und das Herz zerreißen. Verpacken auch Sie Ihre Informationen in kleine Geschichten. Setzen Sie dabei aber keine zweideutigen Plots und hintersinnigen Charaktere ein. Eine klar auf den Punkt gebrachte Geschichte kann besser aufgenommen werden.
Tipp: Eine gute Geschichte beinhaltet einen Charakter, dessen Ziel und Motivation klar sind, einen Konflikt oder ein Hindernis und dessen Auflösung. Um die Spannung zu erhöhen, suchen Sie sich als Schauplatz auch ungewöhnliche Orte, Zeiten oder Charaktere. Ein Beispiel: Was passiert mit dem Problem in der Wüste? Wie ändert sich die Situation, wenn der Charakter sich verletzt hat?
5. Akustische Identität – Das kenn ich doch
Wie wir bereits am Anfang des Artikels gesehen haben, ist unser Gehirn eine der effektivsten Mustererkennungsmaschinen, die es gibt. Dieses Wissen können Sie sich hervorragend zunutze machen. Und wie? Indem Sie Ihrer Marke eine unverwechselbare akustische Identität verschaffen, ein sogenanntes Audio-Branding. Allein eine Sekunde des dialektreichen Sprechers eines bekannten schwedischen Möbel-Herstellers reicht aus, um sofort zu wissen, um welche Marke es sich handelt. Auch die fünf berühmten Töne (Soundlogo) des Rosa-Riesen rufen in uns sofort dessen Namen und das Erscheinungsbild hervor. Eine akustische Identität ist also der bewusste Einsatz von Stimme, Klang und Musik für eine Marke. So werden Sie schnell erkannt und differenzieren sich von Ihren Mitbewerbern. Und wie geht das?
Tipp: Laden Sie sich dazu unser kostenfreies E-Book „Was Unternehmen über Audio-Branding wissen sollten“ herunter.
6. Sender und Zielkunde – Such mich doch
Das Media-Budget gerade bei mittelständischen Unternehmen wird zunehmend knapper und muss daher möglichst effektiv eingesetzt werden. Streuen Sie deshalb Ihre Werbung nicht einfach auf die größten Sender ein, sondern suchen Sie gezielt nach Special-Interest-Sendern mit kleiner Reichweite und besonderem Publikum. Natürlich müssen Sie dazu genau wissen, wer Ihr Zielkunde ist und welche Sender er bevorzugt hört. Auch bestimmte Uhrzeiten können sich besonders eignen, um Zielgruppen anzusprechen. Spät in der Nacht ist die Werbung für einen 24-Stunden-Supermarkt vielleicht besser platziert als beim morgendlichen Frühstück.
Tipp: Wer genau ist Ihr Zielkunde? Welche demografischen und psychografischen Faktoren konnten Sie bereits bestimmen und welche Schlüsse lassen sich daraus für die Senderauswahl ziehen?
7. Hörumgebung – Mit dem Kunden beim Frühstück
Bei der Konzeption und Produktion von Werbung wird oft ein aus unserer Sicht sehr wichtiger Fakt vergessen oder übersehen: der Ort und der Modus, in dem der Zuhörer sich gerade befindet, während er den Spot hört. Morgens im Auto auf dem Weg zur Arbeit oder zum Mittag als Begleiter im Büro? Versetzen Sie sich bei der Konzeption der Werbung in die Lage des Zuhörers. Welche Probleme oder Anliegen können wo und wann am besten kommuniziert werden? Das Aufrufen einer Internetseite erfordert Ressourcen, die der Autofahrer wahrscheinlich gerade nicht hat.
Tipp: Wofür hat der Zuhörer gerade ein Ohr? Wo befindet er/sie sich gerade – physisch und in Gedanken? Und wie muss ich daraufhin mein Anliegen kommunizieren
Fazit
Zum Schluss möchten wir noch das Beispiel eines der erfolgreichsten Spots der vergangenen Jahre präsentieren. Carglass investierte im Jahr 2007 fast seine gesamten Werbeaufwände in Radiowerbung (98 %). Der einfache Jingle „Carglass repariert, Carglass tauscht aus“ hat dem Unternehmen zu einem Bekanntheitsgrad von 94 % in Deutschland verholfen. Im Vergleich dazu liegt der nächste Branchenkonkurrent bei mageren 5 %. Carglass gelang es somit, sich erfolgreich zu positionierten, und das Unternehmen wurde 2010 von der Wirtschaftswoche zum besten Dienstleister gewählt.
Auswertung am Carglass-Werbespot:
- Muster erkennen – Akustischer Bruch, z. B. durch quasi-dokumentarische Interviewform
- Nutzen aufzeigen – Kundenrelevante Nutzen werden glasklar aufgezeigt
- Call-to-Action – „Gleich anrufen, wir kommen vorbei und reparieren den Steinschlag ohne Selbstbeteiligung.“
- Storytelling – Problem wird über kleine quasi-dokumentarische Erzählung verdeutlicht
- Akustische Identität – Wenn auch etwas nervig, so doch mit hohem Wiederkennungswert: „Carglass repariert, –Carglass tauscht aus.“
- Senderauswahl und Zielgruppe – Hierzu liegen uns keine Informationen vor.
- Hörumgebung – Das Auto stellt eine der häufigsten Hörumgebungen dar, eine optimale Platzierung also.
Wir unterstützen Sie gern bei der Konzeption und Umsetzung Ihres aktuellen Radiospots.